Welchen Beruf wähle ich? Lasse ich mich auf eine Karriere in einem internationalen Unternehmen ein, die mit Reisen und längeren Abwesenheiten verbunden ist? Bei der Karriereplanung von Frauen steht dieses Thema oft in stärkerem Maße als bei der von Männern auf der Tagesordnung. „Auf jeden Fall will ich Kinder“, sagen mir viele junge Frauen dann. „Auf keinen Fall möchte ich einen Beruf, der mir zu wenig Zeit für die Familie lässt“, fügen die meisten hinzu.
Mein Ansatz war immer ein ganzheitlicher, das heißt ich sehe, wie die meisten Karrierecoachs, Karriere nicht als Konstrukt, dass sich losgelöst von weiteren Lebensumständen betrachten lässt. Insofern gehören Arbeit und Leben auch dann zusammen, wenn man vorhat, sie später voneinander zu trennen. Doch liege ich, liegen wir, damit richtig? Vor allem, wenn es um sehr junge Frauen geht, die mit der ersten Entscheidung auch eine Richtung vorgeben?
Ein Teilnehmer eines Workshops im Rahmen meiner Karriereexpertenakademie gab mir diese Woche zu bedenken, dass sich junge Frauen durch Einbeziehung der Kinderfrage auch selbst beschränken könnten. Er verwies dabei auf Sheryl Sandberg, die Frauen empfiehlt, erst dann über die Vereinbarkeit nachzudenken, wenn es soweit ist. Man würde sich sonst selbst begrenzen. Wie immer gibt es auch hier keine absolute Wahrheit, aber einige Aspekte, die im Moment bei der Berufsorientierung dafür sprechen, das Thema Kinder auszublenden oder jungen Frauen genau das zu empfehlen. Ich selbst habe meine Haltung dazu überdacht und folgende Punkte gefunden, die für ein Ausblenden sprechen:
Es kommt immer anders als frau denkt.
Die einen finden nicht den passenden Mann, die nächsten wollen später gar keine Kinder mehr. Ich war jemand, der sich Kinder nicht vorstellen konnte. Bei einer Freundin war es andersrum. Jetzt habe ich Familie, sie nicht. Planen macht wenig Sinn; man kann es nur bedingt.
Die Zeiten ändern sich und werden sich noch viel mehr ändern. Ja, im Moment ist es noch so: Wird eine Frau schwanger und hatte sie zuvor einen reiseintensiven Job, Kundenkontakt oder/und viel mit dem fernen Ausland zu tun, mit dem man oft erst nach 14 Uhr kommunizieren kann, so landet sie spätestens nach dem zweiten Kind sehr oft in einem weniger herausfordernden Bereich. Viele haben nach wie vor einen deutlichen Karriereknick; es gibt ein Berufsleben „davor“ und „danach“. Im Danach verdienen Frauen oft deutlich weniger. Doch das ist erkannt – es gibt immer mehr Firmen und auch engagierte Führungskräfte, die solche Knicks verhindern. Es ist davon auszugehen, dass sie seltener werden.
Was einem liegt und was nicht, merkt man erst so richtig, wenn man im Job ist.
Da entdeckt eine Frau vielleicht, dass es ihr enormen Spaß macht, Menschen zu führen. Das kann auch Frauen passieren, die das immer für sich ausgeschlossen haben. Denn: Karriere hat viel mehr mit Glaubenssätzen und familiärer Prägung zu tun, als wir alle denken. Wurde uns oft genug eingeredet, dass wir so sozial sind und was mit Kindern machen müssen, machen wir es – hätten die soziale Ader aber womöglich auch in einem ganz anderen Kontext einsetzen und fruchtbar machen können.
Berufsentscheidungen sehr junger Leute (Frauen und Männer), beruhen auf Vorerfahrungen. Erfahrungen, die nicht gemacht worden sind, fließen nicht ein. Und zu diesen Vorerfahrungen gehören auch die Erfahrungen, die weibliche Familienmitglieder gemacht haben. Da ist dann die Mutter, die als Lehrerin viel bei den Kindern sein konnte. Und die Tante, die als Diplom-Kauffrau beruflich aufs Abstellgleis kam. Eine der Aufgaben bei der Berufsorientierung liegt darin, Gegenmodelle zu zeigen und bewusst zu machen, dass die Welt von morgen nicht mehr die von heute ist.
Es gibt nicht mehr ein Berufsleben, sondern mehrere, vielleicht fünf oder sechs.
Doch selbst die derzeitigen Abiturienten sind noch sehr geprägt davon, dass es weitergeht, wie es mal war und immer noch ist. Das heißt: Der „Beruf“ ist für immer. Das ist er natürlich nicht. Selbst die wenigen Für-immer-Berufe wie Lehrer und Arzt sind es nicht mehr. Gestern habe ich von einer Ärztin gehört, die am Tag ihrer Beförderung zur Oberärztin gekündigt hat und nun Buddhismus lehrt. Wandel wird normal.
All das müsste den jungen Menschen viel früher beigebracht werden. Es ist falsch, nur auf momentane Interessen zu setzen, wie ich hier bereits beschrieben habe. Ich finde, Universitäten und Hochschulen sollten aufhören, immer mehr pseudo-berufsqualifizierende Abschlüsse zu kreiieren und ein neues Feld für sich entdecken: Die Berufsorientierung. Ein, zwei Jahre, in denen junge Frauen mit Bereichen und Themen in Berührung kommen, die sie sonst nie kennenlernen würden, wären viel hilfreicher als jeder Test und alles andere, auch Coaching. Nur ist so ein Programm teuer und zunächst sinnlos für die Wirtschaft (zunächst, denn ein Argument könnte sein, dass so Menschen in Bereiche gebracht würden, die niemals auf deren Plan gestanden hätte).
Doch soweit sind wir noch nicht.
Über mich
Bereits seit 1998 schreibe ich Karriereratgeber, seit dem Jahr 2000 betreibe ich “Karriere & Entwicklung” für Outplacement und Karrierecoaching. 2004 gründete ich meinen ersten Online-Shop, aus dem 2012 Kexpa wurde, 2011 mein Portal Karriereexperten.com. In diesem Jahr kam die Karriereexpertenakademie dazu: verschiedene Weiterbildungen zur Professionalisierung der Methoden und Vorgehensweisen im Karrierecoaching.